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Wir gehören zu dem Flüchtlingstreck, der auf der Suche nach der Sonne durch den Süden irrt.
Das Wetter ist verrutscht. Seit Monaten treffe ich auf Menschen, die blass, verstört und verschnupft aus dem Urlaub heimkehren.



Nach einem Blick auf die Wetterkarte entscheiden wir uns in letzter Minute gegen Norditalien und für die Provence.
Es bleibt kaum Zeit die Ausrüstung zu vervollständigen.



Eine Vanillekerze im leeren Würstchenglas spendet uns einen Urlaub lang Licht.
An manchen Zeltplätzen verhindern Flutlichtanlagen, dass es dunkel wird.
Regentage demaskieren die Cote d Ázur.
Wenn die Franzosen eines können, dann sind das:
malerische Dörfer, spektakuläre Schluchten und guten Rotwein.



In Cassis erleben wir ein Nachtgewitter, der Kategorie: große Oper.
Inbrünstige "dolby sorround" Donner und Sturzregen rollen und rauschen über uns hinweg, und der große Beleuchter zündet ein Feuerwerk elektrische Entladungen, so lichtgewaltig, dass es mich durch geschlossene Augenlieder blendet. Unser Zelt ist ein Logenplatz.

Ich liege bequem auf dem Rücken und lausche gebannt der Inszenierung.

Das Wetterereignis ist auf Europatour.
Am Fuße des Mont Ventoux reisen wir wenige Stunden vor dem Eintreffen des Gewitters ab.
Am Lac de St. Croix rauscht es stürmisch an uns vorbei und Tage später ziehe ich auf einer holländischen Nordseedüne, viel zu nah am himmlischen Orchestergraben, ängstlich den Kopf ein.



In der Abenddämmerung lösen Fledermäuse die Schwalben bei der Jagt nach Insekten ab.
Im Morgengrauen rauben mir die Tauben mit ihrem monotonen Gurren den Schlaf.



Alte Steinbrücken und Platanenallen schnüren hier und da die kurvenreichen Landstraßen ein und erinnern daran, dass es Jahrhunderte lang auch einspurig ging, nacheinander und nicht nebeneinander.



Du fährst um die nächste enge Kurve und kannst von Glück reden, dass dir Niemand noch Eiligeres auf der Stoßstange hängt.
Du bist langsamer geworden, wenn du nicht gar gebremst hast, aber du kannst nicht anders, der Anblick zwingt zur Andacht.

Ein Bilderbuchdorf trohnt auf einem Hochplateau über einer weiten Ebene. Ockerfarbende Steine fügen sich zu Häusern, einer Burg und Kirchen.
Eine Entdeckung,
deine Entdeckung.
Ein Zufall, eigentlich warst du auf dem Weg von A nach B und nun gönnst du dir die Zeit.
Was immer du in B wolltest, schöner wird es nicht, nur dunkler.
Es ist nach sieben Uhr Abends. Du hast das beste Licht und die Touristenströme sind mit Bussen an die Futtertröge geleitet worden.
So trommelst du mit deinen Schritten ein Solo auf dem Kopfsteinpflaster der engen Gassen. Die Schatten werden länger. Die Kaufleute räumen ihre Auslagen ein und eine Katze sonnt sich auf einem der letzten hellen Flecken.
Zurück im Auto merkst du dir den Namen des Städtchens, Gordes und auch seine Position auf der Karte.

Später wirfst du einen Blick in den Reiseführer:
"Gordes eines der schönsten Dörfer in Frankreich, Touristenmagnet, weithin bekannt ... "
Und du freust dich, den Reiseführer nicht vor der Fahrt aufgeschlagen zu haben, denn sonst hättest du Gordes nie entdeckt.


Rolf Puschnig Juni 2008



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